Jahresthema 2025

Heilung geschehen lassen

 Die Jahresthemen reihen sich wie eine Perlenkette aneinander: „Mit dem sein, was ist“, „Dem Leben eine Mitte geben“, „Das Leben willkommen heißen“, „Dem Leben vertrauen lernen“ und in diesem Jahr „Heilung geschehen lassen“. Die Schönheit einer Perlenkette ergibt sich aus allen Perlen zusammen, die an einem Faden Kreis aufgefächert sind.

„Heilung geschehen lassen“ – eigentlich geschieht Heilung ja jeden Augenblick ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Jede Sekunde versuchen Viren, Bakterien und Pilze uns aus unserem vertrauten Gleichgewicht zu bringen und dabei haben sie wahrscheinlich gar nichts gegen uns persönlich, sondern folgen nur ihrem eigenen Lebensstrom. Während Bakterien kleine Lebewesen sind, die genau wie wir ihren Lebensraum zu ihren Gunsten zu gestalten versuchen, sind Viren keine Lebewesen, sondern „nur“ Informationsträger. Aber auch sie versuchen sich in unserem Körper auszubreiten und unsere Zellen in ihrem Sinne umzuprogrammieren.

Von all dem Treiben in unserem Körper bekommen wir im Allgemeinen gar nichts mit, weil unser Immunsystem „die Dinge regelt“, bevor wir irgendwelche Beschwerden entwickeln. Und auch wenn wir krank werden, vollzieht sich in den meisten Fällen Heilung von ganz alleine. Der Körper trägt offenbar alles nötige Wissen in sich, um sich wieder in sein natürliches Gleichgewicht zurückzubringen. Je mehr wir in dieses wundersame Geschehen vertrauen, desto ungehinderter kann es sich vollziehen. Aber es geht auch darum, die Atmosphäre, den Raum und die Zeit zu geben, die die Voraussetzung für einen solchen natürlichen Heilungsprozess ist. Es gilt die Signale zu beachten, die uns der Körper sendet. Müdigkeit und Erschöpfung während eines Infekts laden uns ein Pause zu machen und Ruhe zu geben. Und wenn wir glauben dafür keine Zeit zu haben erschweren wir unserem Immunsystem seine Arbeit.

Soweit ist das bisher Beschriebene bekannt und überschaubar, handelt es sich doch um zu einem gut Teil erforschten Prozess der Gesundung im Sinne von Wiederherstellung der körperlichen Gesundheit. Heilung beinhaltet aber noch eine ganz andere Dimension der Veränderung, wenn wir nämlich heil im Sinne von ganz verstehen, Heilwerdung als Ganzwerdung. Nicht wenige Menschen erleben sich nach einer schweren Verletzung körperlicher oder seelischer Natur „dissoziiert“, d.h. von sich selbst abgespalten und entfremdet. Sie erleben ihren Körper „wie in Watte gepackt“, unwirklich und haben den Zugang zu ihren Gefühlen oder einem Teil ihrer Gefühle verloren. Eine solche Dissoziation geschieht, um uns vor dem Unerträglichen zu schützen; man kann die uns von der Natur mit gegebene Fähigkeit dazu als eine Gnade verstehen, die uns hilft zu überleben. Ähnlich verhält es sich mit dem Prozess der Verdrängung, bei dem das Unerträgliche ins Unbewusste verdrängt wird. Verdrängung ist heilsam im Sinne von Erster Hilfe, aber wir sind mit einer Vielzahl von Verdrängungen nicht „heil“.

Ähnlich wie bei der körperlichen Gesundung von einem Infekt wohnt uns auch hier das Wissen inne, wieder heil, ganz zu werden. Die Redewendung „die Zeit heilt alle Wunden“ bezieht sich auf die natürlichen Selbstheilungskräfte, über die auch unsere Seele verfügt. Aber auch hier braucht es Voraussetzungen, damit sich die Selbstheilungskraft der Seele entfalten kann; sind sie nicht erfüllt, heilt die Zeit eben nicht alle Wunden. Heilung kann man nicht machen, Heilung kann man nur geschehen lassen. Was man aber machen kann, ist die Voraussetzungen schaffen, die es braucht, damit sich Heilung ganz natürlich vollziehen kann. Anders als bei einem Knochenbruch, der, wenn der Knochen ruhiggestellt ist, relativ unbeeinflusst von unseren inneren Einstellungen und unserem Verhalten „vor sich hin heilt“, können wir seelische Heilungsprozesse fördern oder stören, je nachdem wie wir damit umgehen.

Während der Zustand der Dissoziation, des nicht wirklich „Bei-sich-Seins“, leidvoll ist, fühlen wir uns nach erfolgreicher Verdrängung oft leidlich wohl, behelligen uns die verdrängten Bewusstseinsinhalte gar nicht mehr oder nur noch geringfügig. Sie lassen uns vielleicht Aversionen entwickeln gegen Menschen, die Ähnlichkeit haben mit denen, die uns Leid zugefügt haben oder Ticks, mit denen wir gut leben können. Aber verdrängte Bewusstseinsinhalte sind wie Zeitbomben, die durch irgendeinen Auslöser explodieren können – aber natürlich nicht zwangsläufig müssen. Sie können auch ohne laut zu explodieren ganz leise in unser Leben hinein wirken, uns Kraft und Lebensfreude rauben, irrationale Ängste wachsen lassen oder sich auf andere Weise unangenehm auswirken.

Verdrängung und Dissoziation finden ganz von alleine statt, wenn uns etwas geschieht, dass wir in dem Moment nicht verkraften können. Aber wir sind auch in der Lage unangenehme Dinge im Leben aus Bequemlichkeit wegzuschieben statt sie anzugehen. Wir wenden uns von Ihnen abwenden statt uns ihnen zuzuwenden. Wer die Post mit eingehenden Rechnungen nicht aufmacht, löst sein Problem nicht, sondern verstärkt es.

Wir wissen aus körperenergetischer Erfahrung, dass alles, was wir je erlebt haben, alles, was uns ausmacht, in unserem Schwingungsfeld, das wir auch Schwingungsbewusstsein nennen können, gespeichert ist. Oft genug begegnen uns in der energetischen Körperarbeit vergessene und verdrängte Bewusstseinsinhalte, Erinnerungen an Erlebnisse, die mit unserem gegenwärtigen Problem in Beziehung stehen. Sie tauchen auf, wenn sich die in den ungelösten traumatischen Erlebnissen gestauten Energien lösen und in Fluss kommen. Eine solche Bewusstwerdung geschieht nicht jedes Mal, wenn sich eine lange bestehende energetische Blockade löst, es gibt auch „stille Prozesse“, in denen wir Schritt für Schritt freier werden ohne zu wissen warum und wovon. Wir merken „lediglich“, dass wir bestimmte Situationen anders erleben als früher und dass wir auch anders reagieren – eben freier. Das passiert, weil wir uns auf dem inneren energetischen Weg mit unserer Aufmerksamkeit immer wieder nach innen wenden, uns dem subtilen Schwingungsgeschehen in unserem Körper zuwenden.

Unsere Aufmerksamkeit ist eine subtile Energie, die sanfte aber grundlegende Veränderungen in unserem energetischen Feld bewirken kann. Dabei spielt die Qualität der nach innen gerichteten Aufmerksamkeit eine entscheidende Rolle: Sie sollte sanft, ruhig, liebevoll, Raum gebend und geduldig sein. Ein sanfter Regen tut ausgetrockneter Erde besser als ein heftiger Regen, sanfte Sonneneinstrahlung ist hilfreicher als stechende Sonne, ähnlich verhält es sich auch mit der Kraft unserer Aufmerksamkeit.

Mit ruhig ist gemeint, dass wir immer aus einer Ruhe heraus nach innen schauen – egal was wir sehen bzw. was auch immer sich im Lichte unserer feiner werdenden Wahrnehmung zeigt. Unser innerer Blick ist vergleichbar mit der Sonne, die in den Nebel scheint und bekanntlich die Kraft hat den Nebel aufzulösen. Der Nebel aber hat keine Auswirkung auf die Sonne und so sollte auch das, was sich im Lichte unserer sich vertiefenden Aufmerksamkeit zeigt, keine Auswirkung auf die Aufmerksamkeit haben, in der wir uns unserem Inneren zuwenden.

Die dritte genannte Qualität ist liebevoll. Wir schauen nicht kritisch oder ablehnend, sondern freundlich und wohlwollend nach innen. Uns liebevoll allem zuzuwenden, was da in uns ist, ist ein Akt tiefer Selbstannahme. Ein liebevoller Blick lässt eine liebevolle Atmosphäre in unserem Inneren entstehen und in dieser Atmosphäre dürfen sich auch die Anteile unserer selbst willkommen geheißen und angenommen fühlen, die wir verdrängt und ausgegrenzt haben.

Sowie Wasser seiner Natur nach fließt, wenn es bergab geht, entfaltet sich die Lebensenergie von alleine, wenn sie Raum hat. Es gehört zur Natur der Lebenskräfte, dass sie sich frei verströmen, wenn sie nicht festgehalten oder eingepfercht werden. Wir müssen sie nicht anschieben, es reicht ihnen Raum zu geben. Jedes ehrgeizige Wollen engt diesen Raum ein, Vertrauen in die sich selbstregulierenden Kräfte in unserem Inneren schafft die Weite, in der Heilung stattfinden kann. Vertrauen wächst, wenn wir mit etwas vertraut werden und vertraut werden wir mit etwas, wenn wir es immer wieder erleben. Eine regelmäßige Achtsamkeitspraxis gibt uns den Rahmen, in dem Vertrauen, innere Weite und eine natürliche Entfaltung unserer Lebenskräfte stattfinden können. Entfaltet sich das Leben im Menschen, dann entfaltet sich auch der Mensch im Leben.

 

Heilung im spirituellen Sein

Die bisher beschriebenen Heilungsprozesse beziehen sich auf unseren Körper und unsere persönlichen Seinsebenen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass wir uns auf ihnen grundsätzlich eigen und von der Umgebung getrennt erleben. Unsere Persönlichkeit, also das, was uns persönlich ausmacht und von anderen unterscheidet, unser persönliches Ich hat entscheidenden Einfluss darauf, ob wir glücklich oder unglücklich sind, ob wir uns frei oder in Zwängen fühlen. Dieses Ich entstand in der Bewusstseinsentwicklung des Menschen mit der Fähigkeit zum reflektierenden und unterscheidenden Denken. Dieser Entwicklungsschritt hat uns gegenüber den Tieren und der Natur eine Überlegenheit verschafft, er hat dazu geführt, dass wir uns „die Welt Untertan gemacht haben“. Und diese Überlegenheit haben wir reichlich ausgenutzt, so weit, dass wir dabei sind uns unserer eigenen Lebensgrundlage zu berauben. Man kann lange darüber philosophieren, ob dieser Bewusstseinsschritt gut oder notwendig war – er ist geschehen und nicht mehr rückgängig zu machen. Man könnte ihn als einen Schritt vom primären Bewusstsein, in dem die Tiere leben, in das sekundäre Bewusstsein bezeichnen. Je eingebildeter wir Menschen auf unsere hier als sekundäres Bewusstsein bezeichneten Fähigkeiten sind, desto weiter haben wir uns von unserer inneren Natur, unserem primären Bewusstsein entfernt. Aber muss das so sein?

Das sekundäre Bewusstsein, dessen Lieblingsbeschäftigung das Denken ist, zerstört das primäre Bewusstsein nicht, sondern überlagert es nur, manchmal allerdings so stark, dass der Zugang zum primären oder ursprünglichen Bewusstsein verschüttet ist. In extremen Notsituationen, Nahtoderfahrungen oder als Frucht spiritueller Übungswege kann es sich Bahn brechen bis in unser Denk- und Oberflächenbewusstsein; dann erleben wir uns ungetrennt von unserer Umgebung, ja ungetrennt vom ganzen Universum. Das ist Heilsein im tiefsten Sinne. In diesem Zustand werden die Kranken nicht von ihrer Krankheit berührt, die Unglücklichen nicht von ihrem Unglück und die Sterbenden nicht vom Tod. Auch diese Heilung können wir nicht machen, sondern nur geschehen lassen; mit jedem Machen, mit jedem Wollen schaltet sich das sekundäre Ich-Bewusstsein ein und überlagert das sich auftuende ursprüngliche Bewusstsein, in dem alles eins und nichts voneinander getrennt ist. Je mehr das bewusste Ich zur Ruhe kommt, je mehr es in eine Stille eintritt, in der sich das Erleben von Zeit und Raum auflöst, desto klarer offenbart sich, was immer schon war und immer sein wird. Aber erst wenn wir davon auf allen Ebenen unseres Daseins bis in die letzte Zelle unseres Körpers durchdrungen sind, sind wir wirklich frei. Erst dann erleben wir den Himmel – soweit es möglich ist – hier auf Erden. Das ist Heilung im spirituellen Sein.

 

Das Qi als transformierende Kraft

Energetisch betrachtet ist der hier beschriebene Weg ein Weg zur Verfeinerung und Vertiefung. Mit nach innen gewandter Aufmerksamkeit in zeitloser Geduld vertieft sich Schritt für Schritt unsere Wahrnehmung bis sie alles Endliche durchdringt. Das ist vergleichbar mit physikalischen Schwingungen, die, je feiner sie sind, desto tiefer ein- und durchdringen. In jeder Sekunde treffen auf der Fläche unseres Daumennagels Milliarden Neutrinos auf, die keineswegs nur vom Himmel kommen, sondern auch durch die Erde als ob sie gar nicht vorhanden wäre. Vielleicht ist die Erde wie alle Materie für die Neutrinos, die wir als unvorstellbar kleine Teilchen oder unvorstellbar feine Schwingung begreifen können, gar nicht vorhanden – wer weiß schon, wie die Welt und das Leben auf der Schwingungsebenen der Neutrinos ist? Aber über was wir in Bezug auf unser physikalisches Verständnis nur spekulieren können, das können wir in der Schwingungswelt des Qi selbst erfahren. Da offenbart sich in den schillernden Welten der verschiedenen Schwingungsebenen das Leben selbst – vom Körper über alle psychischen Ebenen bis hin zum göttlichen Funken, der unserer Seele innewohnt. Was liegt also näher als sich dem Qi zu öffnen und sich von ihm in die Geheimnisse des Lebens führen zu lassen? Genau das tun wir auf dem inneren energetischen Weg.