Jahresthema 2023

„Das Leben willkommen heißen“

Seit ein paar Jahren begleiten uns das Jahr hindurch Jahresthemen – irgendwie ergibt sich dabei immer das neue aus dem vorigen. Das erste Jahresthema war „Mit dem sein, was ist“, danach kam „ Offenheit, Berührbarkeit, Verbundenheit“ und 2022 war es „Dem Leben eine Mitte geben“. Und wenn wir und unser Leben eine Mitte bekommen haben – und vielleicht erst dann – können wir „das Leben willkommen heißen“.

Einen Teil des Lebens, nämlich den angenehmen, fällt uns ja nicht schwer willkommen zu heißen, aber das Leben ist mehr als das, was nur angenehm ist. Leben ist ein großer Begriff, niemand wird abgrenzend definieren können, was das Leben ist, wir können lediglich Aspekte des Lebens beschreiben. Und wenn wir das tun, dann mag am Ende das Leben als ungeteiltes Ganzes da hindurchschimmern, so dass wir eine Ahnung davon bekommen, was es sein könnte.

Da ist zunächst einmal unser „kleines Leben“, das mit der Geburt, vielleicht schon mit der Zeugung beginnt und mit dem Tod endet. Es ist das Leben in Zeit und Raum und damit auch in den Begrenzungen von Zeit und Raum. Wenn wir diesen Teil des Lebens willkommen heißen, heißen wir uns in unserer Begrenztheit willkommen. Wir akzeptieren, dass, wenn wir uns für einen Urlaub im Süden entschieden haben, wir nicht gleichzeitig Urlaub im Norden machen können. Das klingt vielleicht banal, ist aber in einer Gesellschaft, in der möglichst alles immer verfügbar sein soll, gar nicht so selbstverständlich. Es heißt nämlich bewusst zu verzichten. Unser Leben in Zeit und Raum ist der Teil des Lebens, der von Begrenztheit und naturgemäß auch vom Verzicht geprägt ist. Letztendlich hat uns unsere Unfähigkeit zu verzichten, unser Drang möglichst alles zu jeder Zeit haben zu wollen, an den Rand des Untergangs geführt. Wir haben die Erde ausgebeutet und erfinden immer perfidere Methoden das auch in Zukunft zu tun.

Das Leben in Zeit und Raum und damit den Verzicht nicht nur zu akzeptieren, sondern tatsächlich willkommen zu heißen, heißt die Fülle zu entdecken, die in der Einschränkung liegt. Es ist nicht die Fülle des Habens, sondern die Fülle des Seins. Es ist unschwer zu beobachten, wie selbst diejenigen, die am meisten haben, noch im Gefühl des Mangels leben müssen, weil es offensichtlich – egal wie viel man hat – nie genug ist. Milliardäre, die mit ihrem Denken und ihren Geschäftsmodellen die Welt entscheidend mitprägen, lassen sich im Wettkampf miteinander mit viel Aufwand in den Weltraum katapultieren, um einmal für ein paar Minuten die Erde aus einer anderen Perspektive zu sehen. Sie haben es offensichtlich verpasst, in ihr eigenes Inneres einzutauchen, um so vielleicht zu einer neuen Perspektive in Bezug auf sich und das Leben zu gelangen.

Und da sind wir schon bei einem anderen Aspekt des Lebens angekommen: dem Teil des Lebens, dem wir in unserem Inneren begegnen können, der Welt unserer Gedanken und Gefühle, unserer Sehnsüchte und Stimmungen, unseres ganzen inneren Reichtums. Manchmal scheint es so zu sein, dass, über je weniger inneren Reichtum Menschen verfügen, desto größer die Abhängigkeit von äußerem Reichtum ist. Manchen Menschen scheint der Zugang zu ihrem inneren Reichtum mitgegeben zu sein, andere müssen ihn sich mühevoll erarbeiten, aber zum Glück kann ihn sich jeder erarbeiten. Auch ein Teil unseres inneren Lebens spielt sich in Zeit und Raum und damit in der Begrenztheit ab. Wenn wir denken, denken wir einen Gedanken nach dem anderen und das braucht Zeit, und auch Gefühle zu fühlen braucht Zeit. Wenn wir den Verlust eines Menschen zu betrauern haben, braucht das Zeit, und wenn wir uns die Zeit dafür nicht geben oder glauben sie nicht zu haben, dann wird die Trauer in uns eingefroren und raubt uns einen Teil der Lebenskraft, die wir doch willkommen heißen wollten.

Im Umkehrschluss könnte man sagen, dass, wenn wir die verdrängten und erfolgreich an die Seite geschobenen Gefühle willkommen heißen würden, würde vermutlich so manches eingefrorene Gefühl wieder auftauen und in Fluss kommen. Und Leben, das fließen und sich entfalten darf, lässt die natürliche Lebensfreude wachsen, eine Lebensfreude, die keine Begründung und keinen äußeren Reichtum braucht.

Als Jugendlicher las ich ein Buch über Zen-Meditation, in dem den Meditierenden ein klassisches Bild als Werkzeug an die Hand gegeben wurde: Der Geist sei wie der Fujiyama und die Gedanken und Gefühle seien wie die Wolken, die um den Berg kreisen und oft den Blick auf den Berg versperren. Ich weiß noch, dass ich, als ich das las, mir nicht vorstellen konnte noch etwas über meine Gedanken und Gefühle hinaus zu sein. Heute weiß ich, dass auch unsere Gedanken und Gefühle dem Teil des – inneren – Lebens angehören, der in Zeit und Raum begrenzt ist und dass es darüber hinaus noch einen Teil gibt, der über Zeit und Raum und unsere alltäglichen Gedanken und Gefühle hinausgeht. Wenn wir das Leben willkommen heißen wollen, dann sollte dieser Teil des Lebens, der nicht den irdischen Teil unseres Daseins, sondern den himmlischen widerspiegelt, im Zentrum unserer Willkommenskultur stehen.

Wenn es uns gelingt, alles Denk- und Greifbare loszulassen, betreten wir den Bereich des Undenkbaren und Unbegreifbaren. Das ist gar nicht so einfach für uns Menschen, die so stolz sind auf unsere im Vergleich zu den Tieren weitentwickelte Denkfähigkeit. Unser Denken ist differenziert und führt dazu, dass wir die Welt und uns selbst differenziert betrachten. Gelingt es uns, die Ebene des Denkens und der differenzierenden Betrachtung zu verlassen und wachen Geistes, also ohne einzuschlafen, in einem Zustand reinen Gewahrseins zu verweilen, so betreten wir einen spirituellen Erfahrungsraum, einen Bewusstseinsraum, in dem wir die Welt nicht durch die Brille unseres kleinen Ichs wahrnehmen, nicht differenziert, sondern als Einheit, die die Grundlage aller Unterschiedenheit ist. Je mehr und je öfter wir diesen Zustand des Einsseins erleben, desto mehr realisieren wir auch, wie sehr Alles mit Allem verbunden ist. Wäre dies die Grundlage unseres Denkens und Handelns, dann wären wir dem Frieden unter den Menschen und dem Frieden mit der Natur ein gutes Stück näher gekommen – eine schöne Vision!

Der Kontakt mit dem Urgrund unseres Lebens, der auch der Urgrund des Lebens aller anderen Menschen und Wesen ist, macht es erst möglich, das Leben in seiner ganzen Vielfalt, mit all seinen Unterschieden und Spannungsfeldern, willkommen zu heißen. Erst der Kontakt mit dem Himmlischen macht möglich, in Frieden mit der Begrenztheit des Irdischen zu leben. In der jahrtausendealten chinesischen Tradition ist das Qi die Kraft, die das Materielle mit dem Geistigen verbindet. Was bietet sich da mehr an, als das Qi auch in den Mittelpunkt unseres inneren Weges zu stellen, auf dem wir immer tiefer in die Erfahrungswelt des Qi eintauchen?

Die Welt des Qi ist die Welt der Schwingungen, sie reicht von den groben Schwingungen, die uns in der Welt der Materie begegnen, bis zu den feinsten, die uns in das Erleben von Transzendenz führen. Die Philosophen haben viel über die Welt nachgedacht, haben sich ihr auf der Ebene des Denkens genähert. Im Erleben des Qi erfahren wir die Welt, erfahren wir uns als Teil der Welt, als einen Klang in einer großen Symphonie – was könnte beglückender sein?

Es gibt sicher Vieles, das uns willkommen zu heißen schwer fällt, aber die größte Herausforderung besteht für uns Menschen wohl darin, unseren eigenen Tod willkommen zu heißen. Ich werde nie die Begegnung mit einer Klientin vergessen, die im Endstadium ihrer Krebserkrankung große Angst vor dem nahenden Tod hatte. Sie war alleinerziehend und ihre Tochter stand kurz vor dem Abitur, das machte es ihr umso schwerer. Als ich sie das letzte Mal sah, berichtete sie mir von einem Traum, den sie gehabt hatte. Darin schwamm sie mit kräftigen Zügen voller Freude in das endlose Meer hinein. Als sie das erzählte, spürte sie noch die Kraft in sich, mit der sie in das Meer hineingeschwommen war, eine Kraft, über die sie in ihrem Leben gar nicht mehr verfügte. Gleichzeitig war ihre Angst vor dem, was kommen würde, verschwunden. Ich habe mich oft gefragt, wie man sich einen solchen Wandel erklären kann. Offensichtlich war sie mit einem transzendenten Erfahrungsfeld, mit dem himmlischen Aspekt ihres Daseins, in Kontakt gekommen. Dieser Teil des Lebens beginnt nicht mit der Geburt und endet nicht mit dem Tod. Es ist der Teil des Lebens, über den uns Mystiker aus allen Zeiten und allen Kulturen berichten – jeder in seiner Sprache und in den Bildern seiner Religion und Kultur.

Es gibt spirituelle Wege in Ost und West, die sich vorwiegend oder sogar ausschließlich dem Erleben dieser transzendenten Welt widmen. In unserer Kultur hat das Streben nach dem Jenseits, dem Himmlischen, nicht selten dazu geführt, dass im Diesseits, im Irdischen, verheerende Dinge passiert sind. So hat Bernhard von Clairvaux, ein erleuchteter christlicher Mystiker, zu Kreuzzügen aufgerufen und damit Tausende von Menschen sinnlos ins Unglück gestürzt. Japan ist am Morgen des 8. Dezember mit dem Angriff auf Pearl Harbor in den Zweiten Weltkrieg eingetreten, genau zu der Zeit, zu der Buddha Gautama unter dem Boddhibaum seine volle Erleuchtung erlebte. Man muss dazu wissen, dass japanische Kaiser sich in ihren Entscheidungen von jeher von Zen-Meistern beraten ließen.

Die Geschichte zeigt, wie wichtig es ist, das Leben auf allen Ebenen willkommen zu heißen, um mit ihm auf allen Ebenen in Kontakt und Frieden zu kommen. Nur die persönliche reicht genauso wenig aus wie nur die spirituelle Ebene.

 


Die Welt der Schwingungen

In unserer westlichen Kultur haben das Denken und die aus dem Denken entwickelte Wissenschaft eine Vormachtstellung bekommen. Nur was begrifflich fassbar, begreifbar und wissenschaftlich beweisbar ist, findet seinen – offiziellen – Platz in der Gesellschaft. In der Wissenschaft wird Wert auf eine objektive Betrachtung und Ergründung der Welt mit all ihren Phänomenen gelegt. Ob-jektiv heißt wörtlich „gegenübergestellt“, d.h. man betrachtet die Dinge von außen, mit Distanz und möglichst unbeeinflusst durch subjektive Eindrücke. Die Früchte dieser wissenschaftlichen Herangehensweise sind zahlreich und bedeutsam: Wir verbrennen keine Hexen mehr auf dem Scheiterhaufen, wissen, dass die Erde sich um die Sonne dreht und nicht umgekehrt, und profitieren alle von den technischen Entwicklungen, die nur durch die Wissenschaft ermöglicht wurden.

Aber die Wissenschaft ist nur eine Annäherung an die Phänomene des Lebens. Der Sexualforscher, der wissenschaftlich das Phänomen der Liebe erforscht, nähert sich dem Thema anders als der Liebhaber und die Liebhaberin. Die Liebenden wissen vielleicht nichts über Hormone und andere Faktoren, die dabei eine Rolle spielen, aber sie erleben in sich und miteinander, was Liebe bedeutet. Diese beiden Annäherungen an das Thema sind nicht widersprüchlich, sondern komplementär. Es wäre doch merkwürdig, wenn der Sexualforscher die Liebe nicht aus eigener Erfahrung kennen und diese Erfahrung nicht in seine Forschung einfließen würde.

Die Physik nähert sich dem Phänomen der Schwingungen von außen, objektiv, der Qigong-Übende nähert sich ihm von innen, in der Erfahrung. Physiker beschreiben den Zustand von Materie mit einem mathematischen Modell, das man vereinfacht gesagt auch Schwingungsgleichung nennen könnte. Dieses mathematische Konzept ist extrem erfolgreich und beschreibt die bisher bekannte Welt extrem genau und macht unglaublich detaillierte Vorhersagen möglich. Der Qigong-Übende erlebt Schwingungen in sich, grobe, die sich verändernd auf Körpervorgänge auswirken, und feine Schwingungen, die mehr mit dem Zustand des Gemüts und des Geistes korrespondieren.

Aber wie können physikalisch gemessene Schwingungen und subjektives inneres Erleben zusammenkommen? Bei Messungen der Hirnströme, deren unterschiedliche Frequenzbereiche (Alpha-, Beta-, Gamma- und Thetawellen) mit unterschiedlichen Geistes- und Gemütsverfassungen einhergehen, geschieht dies und wird bereits therapeutisch angewandt. Wenn man z.B. einem Menschen mit einer Angst- und Panikstörung sagt, er soll sich beruhigen, dann wird ihm das kaum gelingen, sonst hätte er ja keine Angst- und Panikstörung. Wenn man ihm aber im sogenannten Neurofeedback über technische Verfahren die Möglichkeit gibt, den Zustand seiner Hirnströme wahrzunehmen, dann kann er mit der Zeit lernen seine Hirnströme zu regulieren, was in der Folge auch seine Gemüts- und Geistesverfassung positiv beeinflusst. Studien zeigen, dass dies nachhaltiger wirksam ist als gängige Psychopharmaka. Der entscheidende Punkt dabei ist, dass der Patient den Schwingungszustand seines Gehirns wahrnehmen kann. Beim Neurofeedback geschieht das mit Hilfe eines Flugzeugs, das der Patient auf einem Monitor sieht. Wenn die Hirnströme chaotischer werden, wie es in einer Angstattacke der Fall ist, steigt das Flugzeug und wenn sie sich harmonisieren, sinkt es. Der Patient hat die Aufgabe, das Flugzeug zur Landung zu bringen.

Welche Bedeutung hat das für uns? Die Erfahrungen im Neurofeedback zeigen, dass die Wahrnehmung körperinnerer Schwingungen die Möglichkeit eröffnet, den inneren Zustand auf eine nachhaltige Weise zu beeinflussen. Im Qigong, in der Meditation wie auch im Shiatsu wenden wir uns nach innen und lernen mit der Zeit – der eine früher und der andere später – die Lebensschwingungen, das Qi (Ki) zu spüren, d.h. unmittelbar ohne aufwendige Apparate wahrzunehmen. Die Wahrnehmung der körperinneren Schwingungen, des Qi, eröffnet ähnlich wie beim Neurofeedback die Möglichkeit das Schwingungsgeschehen positiv zu beeinflussen. Wenn wir verspannt, verärgert, frustriert oder deprimiert sind, ist es oft nicht einfach aus dieser Stimmung in einer absehbaren Zeit wieder herauszukommen. Wenn es uns aber gelingt, mit dem Schwingungsgeschehen in uns in Kontakt zu kommen und ihm mit einem ruhigen, sanften, freundlichen und geduldigen Blick zugewandt zu sein, dann beginnt sich – ich möchte behaupten, noch umfänglicher und tiefer als das beim relativ aufwendigen Neurofeedback der Fall ist – unser Befinden auf allen Ebenen positiv zu verändern: Im Körper setzt ein Prozess der Entspannung ein, Geist und Gemüt beruhigen sich und es stellt sich ein wohliges Gefühl der Zuversicht ein.

Entscheidend dafür, dass sich dieser Prozess wie beschrieben vollziehen kann, ist die Unabhängigkeit des inneren Blicks, mit dem wir uns und unserem inneren Geschehen zugewandt sind. Der innere Blick, also die Qualität der Aufmerksamkeit, in der wir nach innen gewandt sind, ist vergleichbar mit der Sonne, die in den Nebel scheint. Sie beeinflusst bekanntlich den Nebel, der sich ja oft genug in der wärmer werdenden Sonne auflöst, aber der Nebel beeinflusst nicht die Sonne. So beeinflusst die in unser Inneres gerichtete Aufmerksamkeit die inneren Vorgänge, aber die inneren Schwingungen, die wir wahrnehmen, beeinflussen nicht die Achtsamkeit, in der wir „schauen“.

Wenn ich hier den Begriff „schauen“ verwende, dann passt er nur zum Teil, um den Vorgang zu beschreiben. Wenn wir mit unseren Augen schauen, schauen wir im Allgemeinen auf die Oberfläche, wir sehen die von der Oberfläche ausgesandten Reflexionen der Lichtschwingungen, die auf unsere Augen treffen. Wenn wir „innerlich schauen“, uns mit unserer Aufmerksamkeit den subtilen Tiefenempfindungen in unserem (Schwingungs-) Körper zuwenden, dann sehen wir nicht von außen auf uns, sondern wir spüren und erleben uns innen. Wir durchleben gleichsam die Vorgänge in unserem Inneren, bleiben aber trotzdem frei in diesem Erleben, dafür sorgt der unabhängige Blick.

Wir alle wissen, dass die Redewendung „die Zeit heilt alle Wunden“ nur teilweise richtig ist. Es gibt Wunden, die die Zeit nicht heilt, zumindest nicht, wenn nicht bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Anders ausgedrückt: Die Zeit heilt nur die Wunden, deren Schmerz wir in der Lage sind zu durchleben und genau das geschieht, wenn wir das Leben mit allem, was es ausmacht, in uns willkommen heißen – in einem geerdeten, gesammelten, zentrierten und ruhigen Zustand, in den uns die Achtsamkeitsübung geführt hat. Bis dahin Unerträgliches wird langsam erträglich und die mit dem inneren Schmerz verbundenen eingefrorenen Schwingungen können wieder auftauen und fließen und das ganze Schwingungssystem in seinen Aufgaben unterstützen statt es weiter zu belasten.

Qigong, Achtsamkeit und Meditation, Energiearbeit und Shiatsu, also alles, was uns auf unserem inneren energetischen Weg begleitet, helfen uns, in die Welt des Qi, die Welt der Schwingungen einzutauchen. Wir können uns, unseren Gefühlen und inneren Mustern auf der Schwingungsebene begegnen. Wir können, wenn uns etwas aufregt oder wütend macht, diese Aufregung und Wut als Veränderung in unserem Schwingungsfeld wahrnehmen lernen. Wir können Angst als Gefühl erleben oder in unserem Körperfeld spüren, wie es sich zusammenzieht, eng wird. Beides hängt miteinander zusammen, aber es ist leichter, sich der zusammenziehenden Kraft im Körper zuzuwenden als der Angst. Das erstaunliche Phänomen aber ist, dass, wenn wir uns in einem geerdeten, gesammelten und zentrierten Zustand diesen zusammenziehenden Kräften zuwenden, sie sich langsam zu verändern beginnen. Die Schwingungen, die mit unserer Zuwendung einhergehen, sind eine subtile, in der Tiefe wirkende Kraft. Die Fähigkeit sich zu erden, zu sammeln und zu zentrieren können wir z.B. in der Achtsamkeitspraxis der Vier Anker entwickeln.

Außerdem sind wir, wenn wir spürend mit unserem Schwingungsfeld verbunden sind, grundsätzlich auch mit den Gefühlen und Gedanken verbunden, die uns nicht bewusst sind, und nicht nur das, wir kommen auf diese Weise auch in Kontakt mit unseren Potenzialen, die sich noch gar nicht entfalten konnten, die noch als Keim in uns schlummern. Die Kraft der Achtsamkeit und inneren Zuwendung kann den Prozess der Entfaltung dieser einem jeden Menschen innewohnenden Potenziale unterstützen.

Unserem Schwingungsfeld bzw. Schwingungsbewusstsein wohnt ein enormes Wissen, ja eine Weisheit inne, die nicht nur alle körperlichen Lebensvorgänge bis auf die Molekularebene steuert und reguliert, sondern auch alles, was sich in unserem Geist und Gemüt abspielt. Aus dieser Perspektive betrachtet ist das Bewusstsein nicht im Gehirn zu finden, sondern im Schwingungsfeld, das sich im Kopf, in den Händen und Füßen gleichermaßen manifestiert.

Als der holländische Kardiologe Pim van Lommel begann, im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie die bei Herzoperationen gestorbenen und erfolgreich reanimierten Patienten zu interviewen, wurde sein Weltbild erschüttert, als ihm ein Patient, bei dem während seiner Nahtoderfahrung nicht nur kein Herzschlag, sondern auch keine Hirnströme mehr messbar waren, fehlerfrei berichtete, was während dieser Zeit im Operationssaal geschah. Der Wissenschaftler begriff, dass es ein Bewusstsein geben muss, das sich zwar der grauen Zellen in unserem Kopf bedient, aber nicht von ihnen abhängig ist.1

Wenn wir das Leben in der Welt unserer Bewusstseinsschwingungen willkommen heißen, dann heißen wir es in seiner unermesslichen Fülle, in seinem unermesslichen Reichtum willkommen und das ist die Voraussetzung dafür, dass sich das Leben Schritt für Schritt mit all seinen Geheimnissen offenbaren kann. Dies eröffnet uns den Zugang zu Dimensionen, die unser Verstand nicht imstande ist zu erfassen. Die spirituellen Meister aller Zeiten und Kulturen haben diesen Raum betreten, haben das Leben in seiner ganzen Fülle und Tiefe willkommen geheißen und haben uns damit einen Weg gewiesen, den auch wir gehen können.

Teresa von Avila, eine der größten Mystikerinnen unserer Kultur, hat beschrieben, wie man meditieren solle: Man solle sich vorstellen, man säße in einem vollkommen dunklen Raum, in dem sich eine Tür öffnet, durch deren Lichtspalt man einen guten Freund, in dessen Gegenwart man sich wohl fühlt, den Raum betreten sieht. Die Tür schließt sich wieder, der Raum ist dunkel, aber man hört an den Schritten, dass der Freund sich in unserer Nähe hinsetzt. Die wohlige Anwesenheit des Freundes spürend (mit welchem Sinn spüren wir das eigentlich?) sitzen wir dann offenen Herzens in der Stille, die voll von Schwingungen ist.

Je tiefer wir lernen in uns zu ruhen, desto mehr wird es uns möglich sein, uns vom Leben berühren und bewegen zu lassen, das Leben willkommen zu heißen.

Weil das alles zu schön klingt, um wahr zu sein, sei hier ehrlicherweise angemerkt, dass sich dies alles nicht mit ein paar Übungseinheiten ereignet, sondern meist das Ergebnis eines langen inneren energetischen Weges ist, eines Weges, der nicht immer leicht ist und den man sich entscheiden muss zu gehen. Die Länge des Weges mag abschreckend wirken, aber wenn wir uns auf eine schöne Wanderung durch alle möglichen Landschaften begeben, wäre es doch schade, sie wäre schon nach einer halben Stunde beendet.

Der Weg nach innen ist endlos, aber es gibt kaum etwas Spannenderes und Schöneres, als ihn zu gehen.

1 Pim van Lommel, Endloses Bewusstsein, Düsseldorf 2009